
Mein Jakobsweg - ...was habe ich mir dabei bloß gedacht Part 01
- blaubaer64

- 31. März 2024
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Apr. 2024
Eingeteilt in verschieden Abschnitte und Blogbeiträge, möchte ich hier meine Erlebnisse auf meinem Weg nach Finisterre über Santiago de Compostela hier berichten.
Damit es niemanden überrascht: ich schreibe wie es mir in den Sinn kommt und halte mich aller Voraussicht nicht immer an eine wasauchimmer Schreibetikette.
Uuuund los geht es
29. März - Karfreitag
#01 - Starttag
Also 8:00 Uhr losgehen - so mein Plan - war schon mal gar nicht.
Was einem noch einfällt, was zu erledigen ist, bevor man zu so einem Vorhaben aufbricht.
Der Tag begann schon um 5 Uhr morgens, wenn die Natur einen auf's Klo schickt und danach die Gedankenspirale anfängt zu drehen.
Ich sah meinen Rucksack da stehen und dachte noch "der ist viel zu schwer und bestimmt zu viel drin" ...noch bevor der erste Kaffee durch war, war der Rucksack nochmals ausgepackt und ich überlegte, was ich da lassen kann. Am Ende war wieder alles drin und das Ding (Rucksack) immer noch schwer. ...aber wie es halt so ist, denkt der Mensch - zumindest ich - ein wenig überheblich: "das pack ich" - bis man es bereut!
Nachdem die Wohnung für drei Monate Konserviert war - Stecker ziehen, Kaffeemaschine putzen und natürlich alles so herrichten, dass nix mehr passieren kann - ready for start.
Uuuuund los geht' frohen Mutes ... bis zu meinem Bäcker runter, dann "Fuck - ich habe den Brief an die Haftpflichtversicherung liegen gelassen!!". Also nochmal umgedreht, den Berg hinauf (ein Trauma wird das noch mit dem bergauf) in die Wohnung, Brief geholt und Restart des Weges ...und es war dann 10:06 Uhr .... soviel zum punkt 8 Uhr losgehen.
Trotz der Startschwierigkeiten war's ein gute Gefühl loszukommen, auf dem Weg zu sein.
An den Weinbergen entlang Richtung Obertürkheim war es noch ein Spaziergang mit nem schweren Teil auf dem Rücken aber Übermut tut selten gut, entschloss ich mich über die oberen Weinberge nach Esslingen zu gehen ... ich dachte, ich komme da oben nicht an! Bergauf, bergauf ... gefühlte 70% Steigung. Und endlich oben - naja, scheinbar oben - keine Erholung in Sicht.
In Esslingen ging es dann fast genauso steil bergab ... was auch nicht besser ist und genauso viel Kraft kostet.
Bei Beginn des Kopfsteinpflasterweges nach Esslingen runter machte ich ne Pause und hatte dabei ein Gespräch mit einem Touristen, der von mir eigentlich nur wissen wollte, wie er zur Burg hoch kommt. Mal abgesehen davon, dass er an diesem Weg total falsch war, hatte das Gespräch was erfrischendes.
Am Fuß des Weges trennten sich unsere Wege - ich bin weiter zur Stadtkirche St Dionys. Dort angekommen holte ich mir meinen ersten Stempel. ...und meine erste längere Pause.
Als ich für meine verstorbene Frau eine Kerze anzündete, kamen mir unwillkürlich die Tränen ... kommen mir jetzt wo ich dies schreibe auch.
Ooookay weiter:
Nachdem ich den Rucksack wieder auf meine Schulter geladen hatte, kamen die ersten wirklichen Zweifel, ob ich mich nicht gewichtstechisch überschätzt habe.
Es kamen generelle Zweifel auf, was ich denn hier gerade tu. Und mir wurde immer mehr klar, dass ich mein heutiges Etappenziel nie erreichen würde.
Obwohl es danach recht eben Richtung Berkheim ging, vergingen nicht die Zweifel. Als es dann noch den Anstieg da gab ... ja, da war ich dann an dem Punkt, wo ich mir sagte, wenn mich jetzt jemand fragt, ob er mich nach Hause fahren soll, dann sag ich ganz schnell "ja".
Ich machte auf halben Weg den Berg hinauf bei einem VfB Fanclub-Vereinsheim Pause, wollte was essen, hatte aber keinen Hunger und aß mehr oder weniger nur die Wurst und die Essiggurke, dass ich wenigstens was salziges im Mund hatte. Uuuund hat überhaupt keinen Bock mehr weiterzugehen!!! ...tat es dann aber trotzdem. Ich könnte doch jetzt auf meinem Sofa sitzen, die Füße hochlegen und mir den Bauch mit Schokoriegel und Cola vollschlagen. Aber was mache ich? Ich setzte immer noch einen Schritt vor den anderen um den Beschissenen Berg hochzukommen. Der Rucksack ist definitiv zu schwer! Und dann stand ich mehr oder weniger vor der kleinen Kapelle in Berkheim.
Mich wunderte es, dass ich sie offen fand - aber wenigstens konnte ich meinen zweiten Stempel abholen. Als ich mich aufmachte weiterzugehen kam die Pastorin und fragte, ob ich derjenige war, der die Email im Januar geschrieben habe. Ähm, ja, das war ich. Sie erinnerte sich am Morgen daran und dachte, dass sie die Kapelle heute einfach mal offen lies, was eigentlich erst ab 1.April der Fall gewesen wäre. Sie sprach auch einen Segen ... na wenn ich jetzt nicht weitergehe?
Ich ging weiter und ich kann echt sagen, es war alles andere als leicht und ich war fix und alle, als ich in Denkendorf, meinem dann doch extrem verkürztem Etappenziel angekommen bin.
Und mir war klar, dass der Rucksack um einiges leichter gemacht werden muss.
30. März
#02 - Warum geht es immer bergauf?
Nachdem ich meinen Rucksack um einiges erleichtert hatte - ein paar Kilo weniger, aber so lässt sich's besser laufen - ging es nun von Denkendorf (ohne Stempel) weiter.
Und bereits in Denkendorf ging der erste Weg bergauf. Und so schien es weiterzugehen.
Es hatte vermutlich auch damit zu tun, da mir sämtliche Knochen weh taten, auch die, von denen ich bis dato nicht wusste, dass ich die hab.
Mal abgesehen davon, dass es gefühlt ständig bergauf ging, war der Weg ansonsten recht angenehm und interessant. Ein mittelalterliches Sühnekreuz und Reste eines römischen Gutshofs, sowie eine Alpaka-Farm lagen am Weg.
Auf der offenen Hochebene wehte ein echt kalter Wind .... und so kam ich nach keine 14 km in Neckartailfingen an - Ende Gelände für heute.
31. März - Ostersonntag
#03 - auf einen weiteren Tag
Es sind die Tage, an denen man sich fragt, warum um alles in der Welt, machst du so eine Tour. Die Antwort, die man sich da nur gibt: "weil ich es will" - allerdings ohne weiter Erklärung. Ich will es und ich kann es tun, auch wenn ich jetzt lieber wieder zuhause wäre, denn erneut beginnt der Tag mit einem Anstieg.
Heute ist Ostern und ich muss viel an meine Kindheit denken, denn ich begegnete und sah viele Familien, die Ostereiersuchen waren. ...eine Schokoei hätte ich jetzt auch gerne 😂
Zudem hatte ich heute auch eine kurze Begleitung einer Dame, mit der ich mich ein wenig über den Jakobsweg unterhalten habe, während wir so dahinschritten ... bis ich leider wieder einmal bergauf abbiegen musste.
Wieder über eine windige, aber wenigstens sonnigen Hochebene gings rüber nach Rübgarten und da gab's einen Landgasthof ....der leider 20min vor meinem Eintreffen geschlossen hat - shit happens. Der Koch war wenigsten so nett und hatte mir meine Wasserflaschen aufgefüllt.
Nach dieser Pause ging es erneut bergauf, ab zum Ziel: Schloss Einsiedel. 15 km und es läuft besser.
01. April - Ostermontag
#04 - Es wird immer besser
Es ging ja heute schon richtig gut los: es regnet und damit es auch spaßig bleibt, weht noch dazu ein starker, eisiger Wind.
Nach der offenen Ebene von Einsiedel, ging es in den Wald, was das Laufen wesentlich angenehmer gestaltete ....zumindest Windtechnisch. Die Holzwirtschaft machte die Wege dagegen abenteuerlich, wenn ich nicht im Dreck landen will.
Durch viel Wald kommt man dann bei Kloster Bebenhausen so langsam um die Kurve. Was für einen Eindruck die Abtei wohl im Mittelalter dem Pilger bot kann ich nur erahnen, aber er muss beeindruckend - sehr beeindruckend - gewesen sein.
Den Stempel gibt's in Bebenhausen zweimal: einmal an der Kasse zum Kloster - eine wirklich sehr nette Dame an der Information - und dann bekam ich einen vom Gasthaus Sonne, die auch einen wahnsinnig guten Hirschkalbsbraten mit Spätzle im Angebot hatten .... mit läuft jetzt noch das Wasser im Mund zusammen.
Selbst das beste Essen nützt nichts, wenn man weiter seines Weges gehen will und so machte ich mich auf Richtung Tübingen.
Dass der Wind noch eisiger, als die Tage davor, werden kann, bekam ich dann kurz vor Tübingen zu spüren - boah, war das arschkalt!!! 🥶
Zwischen den Häusern gings dann wieder. Der Weg führte dann in ein Tal, bei dem ich mich erst vergewissern musste, dass ich richtig bin. Dieser Weg führte dann zum Mittelpunkt von Baden-Württemberg - so zumindest die Inschrift darauf - und weiter Richtung Altstadt. Warum Tübingen keinen Stempel für Pilger hat, verstehe ich nicht ganz, oder aber ich habe da ein Informationsloch. Wie dem auch sei, der Weg führt nicht zur Kirche, sondern zum Schloss, oder Burg - egal, jedenfalls steil nach oben zum Schloss Hohentübingen und durch dieses hindurch.
Kurz dahinter beschloss ich das Ende der vierten Etappe.
02. April
#05 - Stempelsuche
Neuer Tag, viel Zuversicht und Tatendrang. Heute will ich weiter kommen, als die Tage davor, auch wenn der Weg erstmal wieder bergauf geht. 60 km in 4 Tagen lag jetzt nicht in meinem Sinne, aber ich denke es kann nur besser werden.
Am Tübinger Bismarckturm vorbei, ging es schön im Wald entlang bis zur Wurmlinger Kapelle. Ein schönes Kirchlein auf einem Bergkegel. Oben schnaufend angekommen, hatte es wenigstens einen schönen Ausblick.
Von der Wurmlinger Kapelle bis nach Wurmlingen hinein - Stempel nicht vergessen - weiter nach Rottenburg am Neckar war dann ein schon angenehmeres Laufen.
Wo bekomme ich in Rottenburg einen Stempel? - laut meiner App gibt es sogar 4 mögliche Stellen, aber letztendlich nur in der Stadtinformation und nicht im Bürgerzentrum der Stadt, welches gleich daneben liegt und ich Depp dort als zweites reingegangen bin. Zuerst bin ich als ordentlicher Pilger in die Kirche, besser gesagt Dom - naja, unter Dom habe ich andere Vorstellungen 🤨. Ja, und in diesem Dom bekam ich ... richtig: keinen Stempel.
Die nette Dame von der Stadtinformation erzählte mir, dass es früher im Dom schon einen Stempel gab, aber dieser wurde mehrmals geklaut - sorry, aber welcher Idiot klaut Stempel aus einer Kirche??
Nach einem Radler und leckeren Lasagne gings dann frisch gestärkt weiter Richtung Seebronn, dem Ende meiner 5. Etappe
03. und 04. April
#.... - am besten vergessen wir's
Tja, wer hier erwartet für den 3. und 4. April ein weiteres Video meines Weges zu sehen, den muss ich an dieser Stelle leider enttäuschen, denn ein Magen--Darm-Virus hat mich dermaßen außer Gefecht gesetzt, dass ich nach einer fürchterlichen Nacht, den 3. April total verschlafen habe und den 4. April erstmal dazu brauchte um wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen.
Aber morgen solls weitergehen und wenn ich die Strecke nach Horb nicht ganz zu Fuss schaffe, erlaube ich mir ein Taxi zu nehmen - ist vielleicht nur ein klein wenig schummeln, aber besser als eine ganze Strecke auszulassen.
05. April
#06 - ein bisschen schummeln
Der Start war überraschend gut. Die frische Luft, das schöne Wetter und es ging relativ eben los. Nur merkte ich schon zu Beginn, dass mir die Kraft noch fehlte.
Sorry, wenn ich zu wenig Bilder in dem Streckenvideo hab, aber der Tag war grenzwertig 🤪
Als es zur Waldkapelle der Liebfrauenhöhe hoch ging - es war der Kreuzweg - dachte ich, das war's mit mir. Dass ich aber noch weiter bin, bis nach Rohrdorf war schlichtweg nicht nachgedacht, sondern ein Fuß vor den anderen.
In Rohrdorf habe ich mich dann für's schummeln entschieden ... ein Taxi bestellt.
Leider gab es in Mühlen keinen Stempel - der Taxifahrer war so nett und fuhr mich an der Kirche St. Remigius vorbei, aber die hatten zu ... heißt: keinen Stempel.
Danach kutschierte mich der Taxifahrer direkt vor mein Hotel in Horb ... günstiger kann das Hotel ja gar nicht liegen, direkt unter der Stiftskirche Heilig Kreuz in Horb wo ich heute meinen letzten Stempel holen wollte .... wenn die Kirche nicht verschlossen wäre. Na dann vielleicht morgen.
In Horb versuchte ich dann ein Gasthaus zu finden ... es war wie ausgestorben. Nur ein syrisches Restaurant hatte geöffnet und war entsprechend proppenvoll. Das Essen (syrisch natürlich) war echt gut. Und ich hätte sooo gerne mehr gegessen, wenn mir die 🤬 MDV-Geschichte nicht den Appetit verdorben hätte. Und ich hatte eine sehr nette Dame neben mir sitzen, mit der es sich gut unterhalten lies.



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