Mein Jakobsweg - ...was habe ich mir dabei bloß gedacht Part 09
- blaubaer64

- 21. Mai 2024
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juni 2024
Eingeteilt in verschieden Abschnitte und Blogbeiträge, möchte ich hier meine Erlebnisse auf meinem Weg nach Finisterre über Santiago de Compostela hier berichten.
Damit es niemanden überrascht: ich schreibe wie es mir in den Sinn kommt und halte mich aller Voraussicht nicht immer an eine wasauchimmer Schreibetikette.
20. Mai
#49 - über die Pyrenäen part 1
Mein Hotel, bzw. meine kleine Ferienwohnung lag etwas außerhalb von Saint-Jean-Piet-de-Port und am Camino Frances ... und so konnte ich schon beim aufstehen mitbekommen, wie einige Pilger den Weg entlang gingen ... und das beim besten Regenwetter. Der Tag fing schon so an, wie er gestern endete 😒 ...meine Laune war entsprechend. Ich dachte mir nur noch: hast ja bald geschafft.
Um so überraschten war ich, als der Regen kurz nach meinem Aufbruch aufhörte, ich meine Jacke ausziehen konnte und dann frohen Mutes drauflos marschierte. ...und da ich in die Berge ging, klar bergauf ... gefühlt nur bergauf ... nee, nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich über 6h - ich weiß es gar nicht wirklich mehr wie lange - nur bergauf.
Hier ist es sich beschweren unangebracht, ich will ja über die Berge ... war ein echt harter Aufstieg ... in die Wolken. Und bis auf ein paar Wegabschnitte gut begehbar. Von den anderen will ich nicht sprechen (🤬).
Also, die Pyrenäen sind schon eine spezielle Herausforderung für den Pilger. Möchte gerne wissen, wie viele sich hier schon überschätzen. Ein paar Gedenktafeln am Wegesrand bezeugen, das für ein paar wenige der Camino vorzeitig beendet war ...
Beim Abstieg kam ich auch an einen Punkt, wo ich für mich dachte, das war's. Ich kam in eine Phase von Unterzucker und wenn ich nicht meine eiserne Reserve, eine letzte Dose Cola, gehabt hätte .... wer weiß. ...danach lief der Motor wieder sauber und ich schaffte es weiter, bis letztendlich zum Hotel ... Gooott, taten mir die Knochen weh 🤪.
Was ich nicht vergessen und an dieser Stelle erwähnen möchte, ist meine kurzzeitige Begleitung, eine junge Dame, aus Melbourne, Australien ... auch der nächste Weg. So wie ich mich immer wieder versichert habe, dass alles okay ist, tat sie dies, als ich auch an meine Grenzen kam.
Das der Weg nicht ganz ungefährlich ist/war, erfuhr ich später - ein Pilger ist wohl irgendwo im Nebel falsch abgebogen und abgestürzt.
Ich war am Ende jetzt schon froh, in Roncesvalles angekommen zu sein.
21. Mai
#50 - über die Pyrenäen part 2
Ich war überrascht, als ich morgens wach wurde; mein Fuß und mein Knie taten kaum weh. Es war eher ein Gefühl von Taubheit.
Der Start, kein Thema, da ich auch - vermeintlich - wusste, es geht jetzt hauptsächlich bergab.
Wie heißt es so schön: am Ende ist man klüger.
Und nach fast 8 Wochen on Tour, hätte ich's mir denken können, dass der Jakobsweg so gut wie keinen Hügel auslässt. ...ABER ich sollte an dieser Stelle nicht wirklich jammern, denn - auch wenn dieser Wegabschnitt zum Teil fürchterlichen war - ich habe andere Wege gesehen und begehen müssen.
Und auch auf dieser Teilstrecke durfte ich Leute ein wenig kennenlernen. Einen Großteil davon hatte ich das Vergnügen, mich mit einer jungen Frau aus Lahr zu unterhalten. Es war fast schon schade, dass sie ihr Ziel weit vor meinem erreicht hat ... tja, buen camino.
Die letzte Strecke nach Pamplona lief ich allein ... richtig allein. Ich bin mal wieder der Letzte 😆.
Eigentlich egal, Hauptsache ich komme an .... was nach einem Faststurz alles andere als leicht erschien.
Hier habe ich mich dann entschieden, einen Tag Pause wieder einzulegen.
Es hatte danach schon was komisches, die ganzen Hotelbuchungen entsprechend, während des Laufens, zu tätigen.
22. Mai
#51 - Pamplona
Wenn ich schon mal einen Pausentag wieder einlege, dann dachte ich mir, dass sich die Stadt anschauen bestimmt lohnen würde ... was der Dicke nicht beachtet: es ist noch weit bis zur Plaza.
Aber der Weg hat sich gelohnt. Die Stadt hat ihren mittelalterlichen Charme .... wobei ... mittelalterlich wäre jetzt übertrieben, ist die Stadt mehrmals niedergebrannt und zerstört worden, da sie nun mal sehr strategisch liegt ... aber ich finde die Stadt trotzdem cool 😎.
23. Mai
#52 - einer der schönsten Wege
Start in Pamplona ... bzw. vor Pamplona. Ich musste ja erst noch in die Stadt und mein erstes Ziel war diese crazy Brücke.
Als ich relativ zielstrebig vom Jakobsweg abgebogen bin, habe ich ein Pilgerpaar richtig irritiert. Diese folgten mir erst und stellten dann fest, dass hier was nicht stimmte. Ich war etwa 50m vor ihnen, bin umgekehrt und habe sie darüber aufgeklärt, warum ich diesen Weg gehe. Es machte sie neugierig und beide folgten mir ... Es hat sich für alle gelohnt 😁 .... nach der Brücke schickte ich beide wieder Richtung Jakobsweg. Ich, für meinen Teil, wollte jetzt zur Plaza und dann auf dem Weg raus Richtung Puente la Riana .... und das war einer der schönsten, wenn bis dahin DER schönste Weg ... mit einer kleinen Ausnahme - Der Weg runter vom Imagen de la virgen del perdón ... die reinste Anstrengung für alle Gelenke unterhalb des Bauchnabels. Aber der Ausblick von da oben .... am liebsten hinsetzen und die Ausblicke einsaugen wie ein Vampir ... man kann nicht genug davon bekommen. ...zuvor kamen mir noch Sprüche über Don Quijote und seinem Kampf gegen die Windmühlen in den Sinn ... war der Faszination des Ausblicks nicht würdig.
Nach dem steinigen, steilen Abstieg musste ich mir eine Pause reinschieben. Hier traf ich einen netten Pilger aus Taiwan. Mit der Sprache war's so ne Sache ... später fiel mir ein, dass Taiwanesisch vielleicht Ähnlichkeit mit chinesisch haben könnte ... aber das konnte ich nicht mehr nachfragen.
Kaputt von diesem Abstieg und mit einer weiteren Bekanntschaft eines jungen Paares aus Kanada, kam ich schließlich in Puente la Riana an ... und traf in meiner Unterkunft Karina (glaub so hieß sie) die junge Frau aus Lahr. ...Wenigstens hatte ich dann noch Gesellschaft beim Abendessen 😁
24. Mai
#53 - verlorener Tag
Interessanter Tagesstart: beim Frühstück sah ich Beatrice, die Australierin ... sie allerdings mich nicht 😅 ... naja, kommt vor 😅
Aufbruchbereit ging es dann aus Puente la Riana über die berühmte Brücke, welche in fast jedem Bericht, Prospekt oder sonstwas zu sehen ist.
Das Wetter ist spitze, die Wege super, nichts was den Tag kaputt machen könnte.
Im Café Elcantero holte ich mir meinen Stempel und ne Cola 😋 ... weiter geht's ... über die Felder im schönsten Sonnenschein.
Nach Cirauqui traf ich kurz Beatrice wieder. Bei einem sehr schönen Plätzchen zum Pause machen, zog sie es vor weiterzugehen ... ich gönnte mir eine weitere Cola und ein paar kleine Becher des örtlichen Weines.
Tja.... und dann schaute ich mal wieder auf mein Handy, was für Nachrichten da eingetrudelt ist...
Gut, dass ich mich nicht geistig aus der Welt schieße. Ich musste feststellen, daß meine Kreditkarte gesperrt wurde. What the f**k??!!
Und das war nicht der Aufreger des Tages. Das war die Stornierung meiner heutigen Unterkunft in Los Arcos. ... Jetzt galt es zuallererst herauszufinden, wieso wurde die Karte gesperrt? Haltet euch fest: weil ich zuviel Hotelbuchungen in den letzten Wochen vorgenommen habe, ist das Sicherheitsprogramm zu dem Schluß gekommen, es müsse sich um Betrug handeln.
Klasse!! Ich hab der Bank gesagt was ich vorhabe, damit sowas nicht passiert. Ach ..(stöhn) ... und die gute Frau vom Service meinte dann, sie haben mir ja eine neue Karte nach Hause zugeschickt. Diese soll ich halt jetzt nehmen .... 😶😶😶😶😶
Vom Weg bis nach Estella habe ich nicht wirklich viel mehr mitbekommen, weil ich während des Laufens versucht habe, eine vernünftige Unterkunft jetzt für mich zu finden, was mir zwar gelang, aber gleichzeitig bedeutete, dass mein morgiger Tag ein Hammertag - 50km erwarten mich - wird.
25. Mai
#54 - der längste Tag
Nach dem Aufstehen - glaub 6:30 Uhr war's - richtete ich erst noch meinen Rucksack um gleich nach dem Frühstück starten zu können ... ich wollte halt keine Zeit unnötig verlieren, weil mir klar war, dass ich mindestens 12h auf Achse sein werde ... ich geb's zu, ich war alles andere als begeistert. Und kurz bevor ich zum Frühstück los bin, - ich hatte kaum Hunger - entschieden ich mich sofort aufzubrechen. Und so war ich bereits um 8 Uhr am Start.
Meine erste Befürchtung, gleich hinter Estella geht's den Berg hoch, war relativ unbegründet ... es ging zwar einen Hügel hoch, aber es zog sich gemächlich.
Nach Ayegui, der nächsten Ortschaft hinter Estella, ging es durch Weinberge und Weinbetriebe.
Bei einem Weinbetrieb standen die Leute in der Schlange an einer Wasserversorgung .... dachte ich. Später habe ich erfahren, dass an dem zweiten "Wasserbrunnen" Wein rauskommt. Immer nur ein bisschen, aber Wein statt Wasser .... ..... .... aaahhh, jetzt schnalle ich's, wie Jesus das mit der Wasser und Wein - Geschichte gemacht hat 😲😅😅🤣🤣 ... (die Starkgläubigen mögen meinen Humor verzeihen)
Ein paar Kilometer weiter, in Igúzquiza, sprach mich plötzlich jemand von hinten mit "Hi Tom" an: es war Beatrice
Tja, wie klein die Welt ist, bzw. der Camino.
Wir unterhielten uns ein wenig und dann zog es mich schon wieder weiter. Beatrice gönnte sich noch ein wenig Pause .... recht hat sie.
Ja ... und der Weg, der da vor mir lag ... ich sag's mal so: vom Unwetter gezeichnet und der nächste Ort kam wie eine Erlösung.
Danach ging es in die Pampa ... fast schnurgerade durch die Felder und die Sonne schien. So krass es klingen mag, aber die Strecke war ...anstrengend schön. Und den Foodtruck darf ich an dieser Stelle nicht vergessen. Genau an der richtigen Stelle stehend, bot er den richtigen Pausenflair. 😋
Über die scheinbar endlose Weite des Landes führte der Weg schließen nach Los Arcos.
Kurz vor dem Ort hatte ein älterer Mann aus Südkorea einen Schwächeanfall, musste sich auf den Weg setzen, weil er nicht mehr konnte. Zum Glück war sein Tagesziel Los Arcos. Er trankt einfach zu wenig .... hat jedenfalls seine Frau zu verstehen gegeben. ...was mich an der ganzen Situation mega störte: bis auf einen jungen Mann aus Kanada hat es keiner der Vorbeilaufenden für nötig gehalten um wenigstens zu fragen, ob noch Hilfe benötigt wird. Stures vorbeilaufen, Hauptsache vorher ankommen. ....
Als ich in Los Arcos ankam, saßen alle schon bei ihrem kühlen Bier. ....
Ich bin dann zu der Herberge, in die ich eigentlich gestern gehen wollte, um meine Schulden (Stornogebühr) zu begleichen.
Beim Verlassen des Ortes stand da ein Esel. Zuerst dachte ich noch, was für eine lebensechte Statue ... bis er sich dann bewegte. ....Tja zwei Esel 😅
Ab da war ich dann, gefühlt, der letzte auf der Strecke.
In Viena war ich soweit, dass ich ein Taxi nehmen wollte .... hatte aber kein Bargeld mehr und in Viena gab's keinen Bankautomaten. ...blöd gelaufen und weiterlaufen. ....22:30 rum bin ich dann in Logroño eingetrudelt ... was für eine Strecke 🤪



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